Ergebnisse

Darstellung des modalen Verhaltens von Geigen mittels „Schwingungslandkarten“ und Bildschirmanimation. Diskussion einiger Ergebnisse.

Die Ergebnisse der experimentellen Modalanalyse lassen sich wahlweise als „Schwingungslandkarten“ oder durch Bildschirmanimation darstellen. Indem die Modalanalyse die Eigenschwingungsformen (sog. Moden) sichtbar macht, entsteht ein grundsätzliches Verständnis für die Resonanzen des Instrumentes. Indem somit der Klang nicht nur hörbar, sondern dessen Ursache nun auch sichtbar wird, wächst ein intuitives Empfinden für die Klang bestimmenden Werdegangschritte (etwas der Wölbung, Ausarbeitung etc.). Man bekommt ein Gefühl dafür, was mit dem Instrument tatsächlich geschieht, während es gespielt wird.

Es handelt sich bei den Schwingungsbewegungen nicht um eine Simulation, sondern um das gemessene Schwingungsverhalten am tatsächlichen Instrument. Lediglich die Amplituden werden stark übertrieben dargestellt und die Schwingungsfrequenz stark verlangsamt. Die dynamischen Animationen zeigen die Eigenschwingungen einer Geige am Beispiel eines Instruments von Antonio Stradivari aus dem Jahre 1712. Diese Geige zeigte bei der Messung eine phantastisch hohe Modendichte von über 65 Resonanzen im Frequenzbereich bis 2000 Hz. Vier der typischen Korpusresonanzen dieses Instrumentes sind in nachfolgender Abbildung als „Schwingungslandkarte“ (jeweils links) und als Drahtgitter bei maximalen Auslenkung überlagert mit der Ruhelage (jeweils rechts) dargestellt:

Die typischen Eigenschwingungsformen der Korpusresonanzen. Messung mittels experimenteller Modalanalyse (595 Übertragungsfunktionen).
Darstellung durch „Schwingungslandkarten“: Interpolation und Höhenlinienplot mit Linien gleich Amplituden (Höhenlinien).  Ansicht der Platten von außen. Phasenkonvention: Als gleichphasig gelten gleichzeitig expandierende (schwarz-grau) bzw. gleichzeitig komprimierende (weiß-grau) Korpusbereiche. Knotenlinien entsprechend zwischen schwarzer und weißer Höhenlinie. Jeweils links Decke, rechts Boden, darunter Zargen der Bassbalkenseite, Seitenansichten und Draufsicht von Saitenhalter und Griffbrett, Zargen der Stimmstockseite.
Drahtgitter und Animation: Jeweils Saitenhalter und Griffbrett (oben), Decke (Mitte), Boden (unten). Nulllage und maximale Auslenkung.
Instrument: A0015 (Stradivari 1712 "Schreiber")

Individuelle akustische Eigenschaften eines Meisters oder einer Schule

Unsere Modalanalysen an verschiedenen Geigen von Antonio Stradivari zeigen, dass eine deutliche Übereinstimmung in der Ausbildung wesentlicher Korpusresonanzen erkennbar ist. Frequenzintervalle und Kopplungen zwischen verschiedenen Moden sind auffallend ähnlich. Im Gegensatz dazu ist etwa das Frequenzintervall zwischen den beiden Hauptkorpusresonanzen (T1 und B1) bei Guarneri del Gesù wesentlich größer. Die Kenntnis solcher und ähnlicher akustischer Merkmale verschiedener Meister oder Schulen ist eine neuartige Ergänzung zur traditionellen, rein stilistischen und konstruktiven Beschreibung von Streichinstrumenten. Für die gezielte klangliche Maßarbeit beim Neubau hochwertiger Streichinstrumente ist die Kenntnis der für einen Meister typischen akustischen Eigenschaften eine wesentliche Leitlinie.

B1-Hauptkorpusmode. Messung einer Antonio Stradivari (links) und einer Guarneri del Gesù (rechts). Dargestellt ist die aus den gemessenen Übertragungsfuntionen (v/F) berechnete Eigenform (Residue) der B1-Hauptkorpusmode. Messung im spielfertigen Zustand mit gedämpften Saiten. Ansicht beider Platten von außen.

Interpretation:

Die Schwingungsform der B1-Mode ist bei beiden Geigen relativ ähnlich. Die Guarneri del Gesù weist hier jedoch stärkere Korpusamplituden auf; bei der Stradivari dagegen koppelt die B1-Mode mit einer Griffbrett-Torsion, weshalb die B1-Mode in zwei wirksam strahlende Moden (bei 512 und 523 Hz) aufgespalten ist.

Die Dämpfung der B1-Mode ist bei beiden Geigen sehr ähnlich (Stradivari 1.53%; Guarneri 1.54%). Dies ist ein wirksames Kontrollmaß für die akustische Wirkung des verwendeten Geigenlackes.

Die Eigenfrequenz dieser Schwingungsform ist bei beiden Geigen (mit 512 und 544 Hz) relativ unterschiedlich. Diese Eigenfrequenz ist eine wirksame Richtschnur für die Klangfarbe des Instrumentes, denn die B1-Mode kann als ein „modales Barometer“ für die Konstruktion des Instrumentes erachtet werden.
Technische Details zu dieser Abbildung: Linienabstand=5(Hz*m)/(s*N). Der Linienabstand ist definiert als Abstand zwischen je zwei benachbarten gleichartigen Höhenlinien (die Amplituden werden also in Absolutwerten dargestellt.) Phasenkonvention: Jeweils expandierende bzw. komprimierende Plattenbereiche des Korpus‘ gelten als gleichphasig und sind entsprechend mit gleichartigem Raster (also grau-weiß oder grau-schwarz) dargestellt.

Bezeichnung neben den Eigenformen: Mode-#; Frequenz (Hz); Dämpfung (%); max. neg. Residue-Mag; max. pos. Residue-Mag. (Hz*m)/(s*N).

Fehlerdiagnose an vorliegenden Probleminstrumenten

Durch Messung einer Vielzahl verschiedener Instrumente entstand in unserm Labor eine umfangreiche Datenbank der typischen akustischen und konstruktiven Eigenschaften von Geigen, Bratschen und Celli. Durch Kenntnis derjenigen Schwingungseigenschaften, die sich für gute Instrumente als typisch erweisen, stellt die Modalanalyse an Probleminstrumenten ein wirkungsvolles Diagnosewerkzeug dar. Indem modale Anormalitäten (etwa in der Schwingungsamplituden-Verteilung charakteristischer Moden) sichtbar werden, lassen sich Rückschlüsse auf konstruktive oder justagebedingte (Stimme, Steg, etc.) Mängel schließen.