Zum akustischen Hintergrund des Geigensteges:
Der Steg überträgt die Saitenschwingungen nicht einfach auf den Korpus. Er ist ein weit komplexeres „Organ“. Denn er fungiert nicht nur als ein Übertragungsglied, sondern darüber hinaus als ein Klangfilter und als ein Impedanzwandler. Was heißt das?
1. Die Klangfilterwirkung des Steges entsteht dadurch, dass nicht nur die Geige, sondern auch der Steg selbst seine Resonanzfrequenzen hat. Wenn diese wirksam werden (ab etwa 3.000 Hz), beginnt der Steg, die Frequenzübertragung zwischen Saite und Korpus wirksam zu dämpfen. Auf diese Weise wird dem Instrument klangliche Schärfe genommen, die ohne diese sog. Tiefpassfilterfunktion des Steges störend wäre. Das Instrument klingt damit brillant, aber nicht scharf. Das Können des Geigenbauers muss darin bestehen, die Resonanzfrequenzen des Steges in einer klanglich angenehmen Weise abzustimmen. Mit jedem noch so kleinen Schnitt (etwa im Bereich der Stegohren, der Taille oder des Herzens) verändern sich die Resonanzen des Steges und damit dessen Klangfilterwirkung.
2. Die Impedanzwandlerfunktion des Steges entsteht durch die Biegeweichheit des Steges. Die schwingenden Saiten haben eine sehr geringe Impedanz, das heißt: einen geringen Schwingungswiderstand. Der Korpus der Geige hat dagegen eine vergleichsweise große Impedanz, das heißt: einen hohen Schwingungswiderstand. Würden die schwingenden Saiten ohne die Vermittlungsfunktion des Steges direkt auf den Korpus einwirken, so würde ein Großteil der Schwingungsenergie nicht transmittiert (weitergeleitet), sondern reflektiert werden! Indem der Steg zwischen den beiden unterschiedlichen Impedanzen (Saite – Korpus) „vermittelt“, nimmt er die gleiche Funktion wahr, wie wir sie etwa von den Mittelohrknöchelchen des menschlichen Ohres kennen. Auch dort - im Mittelohr - haben wir es mit einer Impedanzwandlung zu tun. Würde der Schall ohne diese Impedanzwandlung vom Trommelfell aus quasi direkt auf die Cochlea (Schnecke des Innenohres) übertragen werden, so würde der Schall, anstatt in das Innenohr zu gelangen, weitgehend reflektiert werden, denn die Impedanz in der „dicken“ Innenohrflüssigkeit ist weit größer als in der „dünnen“ Außenluft.