Bedeutung

WAS BEDEUTET KLANGEINSTELLUNG?

Es ist sicher kein Zufall, wie oft ich erlebe, dass Musiker sich versprechen, wenn sie mein Atelier aufsuchen und sagen: „Ich möchte Ihnen diese Geige in ihre Praxis... - ich wollte sagen: in ihre Werkstatt - bringen...“. Der emotionale Grund für solche „Versprecher“ liegt auf der Hand: Wenn mit einem Instrument, das einem seit Jahren vertraut ist, irgend etwas nicht in Ordnung ist, haben Musiker beim Aufsuchen eines erfahrenen Geigenbauers tatsächlich häufig das Gefühl, einen Arztbesuch zu machen... Das eigene Instrument ist wie ein Teil ihres eigenen Körpers.

Als Geigenbauer und Akustiker sehe ich meine Kompetenz darin, so etwas wie ein ‚Facharzt des Klanges‘ zu sein.“ Viele gute Werkstätten vertrauen bei der Klangeinstellung auf ihre Intuition und Erfahrung. Tatsächlich ist es wie bei einem Arzt: Ohne einen Blick für die Menschen und jahrelange ärztlich-diagnostische Erfahrung nützen auch die besten Geräte und Methoden wenig. Allerdings können gute Analysemethoden die Diagnose äußerst sinnvoll ergänzen, präzisieren und kontrollieren. Solch ein Wechselspiel aus Intuition und Erkennen, Erfahrung und Analyse, Tradition und Innovation ist daher der Ansatz des MEISTERATELIER FÜR GEIGENBAU MARTIN SCHLESKE. Im Rahmen verschiedenster Forschungsvorhaben wurden hierbei diverse neuartige Analysemethoden für die Klangeinstellung von Streichinstrumenten entwickelt (Akustikforschung).

„Klangeinstellungen“ im engeren Sinn sind handwerklichen Arbeiten, durch die zwar die Akustik des Instrumentes, nicht aber das Instrument selbst verändert wird. Zu diesen Arbeitsgängen gehört die Anfertigung des Steges, des Stimmstocks, des Griffbretts, sowie die Auswahl des Setups mit Saiten und Saitenhalter. Im weiteren Sinn umfasst die „Klangeinstellung“ auch Korrekturen des Korpus‘. Letzteres sollte, wenn überhaupt, nur mit großer „Keuschheit“ und niemals „auf gut Glück“ vorgenommen werden. Stets sollten alle Versuche, das Problem mit den oben genannten Arbeitsgängen zu beheben, ausgeschöpft sein.

Es zeigt sich, dass der Einfluss der Klangeinstellung umso empfindlicher ist, je „besser“, d.h. je sensibler und modulierbarer das vorliegende Instrument ist. Bei Spitzeninstrumenten gleicht ein Verrücken des Stimmstocks um wenige zehntel Millimeter oder das Ausschneiden der Stegausschnitte den fast unsichtbaren Schenkelweichen beim Reiten eines Vollblut-Arabers. Das Instrument kann bei falscher Einstellung in einem Höchstmaß empfindlich und beleidigt reagieren. Hier geht es um ein sehr sensibles Gleichgewicht. Mittelmäßige Instrumente dagegen werden – nahezu unabhängig von der Klangeinstellung - stets ihren mittelmäßigen Klang behalten (und gleichem eher einem soliden Ackergaul). Hier lassen sich zwar vergleichbar grobe Klangattribute („heller“ – „dunkler“; „härter“ – „weicher“ usw.) verwirklichen, nicht aber die feine Klangkultur von Spitzeninstrumenten. Akustisch lassen sich feine Spitzeninstrumente durch ihr sehr ausgeprägtes Resonanzprofil mit hohen Resonanzstärken charakterisieren.

Dem wissenschaftlich geneigten Leser sei als Einführung der Abschnitt Schallanalyse empfohlen.

Im „Handbuch der Geigenakustik“ finden Sie unter dem Thema Klangfarbe und Resonanzprofil ein experimentelles Hörbeispiel, das den Zusammenhang zwischen dem akustischen Resonanzprofil des Instrumentes und dem subjektiv empfundenen Klang veranschaulicht.