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Wolfton

Auf Wolftonjagd

Jedem Cellisten sind sie leidlich bekannt: Jene Töne, die nur sehr schwer ansprechen und im piano dazu neigen, periodisch zu flackern. Diesem heulenden, flackernden oder schwebenden Klang verdanken sie ihren Namen: Wolfstöne (bzw. Wolftöne). Aber auch hochwertige Geigen zeigen häufig diese Problemtöne.

Während für das Cello einige handelsübliche (mehr oder weniger wirksame) Wolftondämpfer auf dem Markt sind, bietet sich der Geige keine Abhilfe. Einziger Ausweg ist hier in der Regel, die Klangjustage des Instrumentes zu verändern, etwa durch eine Korrektur des Stimmstockes. Die Klangjustage kann nur dann das Problem des Wolfstones wirksam bekämpfen, wenn es gelingt, die verursachende Hauptresonanz in ihrer Eigenfrequenz zwischen zwei Halbtöne zu verschieben. Diese Vorgehensweise aber hat den Nachteil, dass a) das gesamte Klangbild des Instrumentes verändert wird, b) das Ergebnis trotz stundenlanger Tüftelei oft dem Zufall überlassen bleibt.

Was ist die Ursache für den Wolfston und welche systematische Abhilfe kann geschaffen werden? Die Ursache für den Wolfston ist die große dynamische Beweglichkeit des Corpus bei Anregung seiner Resonanzen. In der Hauptcorpusresonanz wird der Saitenschwingung mehr Energie entzogen als der Bogen nachliefern kann. Die Schwingung der Saite wird durch die starke Corpusschwingung so gestört, dass sie zusammenbricht. Da der Bogen aber kontinuierlich weiter streicht, baut sich die Saiten-schwingung wieder auf. Damit aber regt sie den Corpus erneut an, in seiner Hauptresonanz zu schwingen. Diese Resonanz schaukelt sich dann wiederum zu solch starken Schwingungsamplituden auf (die über den Steg auf die Saite zurück koppeln) dass die Schwingung der Saite erneut zusammenbricht. Der ständige Wechsel aus Schwingungsaufbau und Schwingungsabbruch (der sich etwa 7 bis 10 mal pro Sekunde wiederholt – und damit in einer psychoakustisch maximal lästigen Frequenz liegt)  ist der akustische Hintergrund des Wolftonheulens.

Abb.: Messung der Übertragungsfunktion einer Geige zur Abstimmung des Wolfston-Dämpfers

Dem „Ärger mit dem Wolf“ beugt eine kleine Innovation des Meisteratelier für Geigenbau Martin Schleske vor: Durch Analyse des individuellen Resonanzprofils der Geige wird zunächst die Resonanzfrequenz der wolfstonverursachenden Eigenschwingung analysiert.

Anschließend wird im Bereich der frei schwingenden Saite zwischen Steg und Saitenhalter ein exakt in seiner Dämpfung und Masse abgestimmtes Anti-Resonanz-Röhrchen montiert. Die Länge des Röhrchens muss dabei auf 1/10-mm genau abgestimmt werden, um ein Resonanzsystem zu schaffen, das mit der Wolfstonfrequenz kommuniziert. Diese Abstimmung wird durch mehrmalige Messung der Übertragungsfunktion am Steg kontrolliert und optimiert. Nicht nur Masse und Dämpfung, sondern auch die Position des Anti-Resonators entscheidet über die Abstimmung seiner Resonanzfrequenz.

Abbildung: Im Labor des Meisteratelier für Geigenbau Martin Schleske entwickelter Anti-Resonator zur Eliminierung des Wolfttones von Geigen.

Die Position bestimmt die wirksame „Federsteifigkeit“ und damit die dynamische Rückstellkraft des Röhrchens. Sie wird auch nach einem Saitenwechsel wieder exakt hergestellt, indem der Musiker für sein Instrument eine individuelle Positionslehre (Schablone) erhält.

Die Dämpfung des Resonators durch ein Spezialmaterial im Innern bestimmt die Ankopplung des Röhrchens an die Saite und beeinflusst die Resonanzgipfelbreite des Wolfdämpfers.

Abb.: Gemessene Übertragungsfunktion (Eingangsadmittanz am Steg). Schwarz: ohne- , rot: mit Antiresonator. Deutlich erkennbar ist die resonanzspaltende Wirkung des Antiresonators. Die Wolfstonresonanz wird unter das kritische Schwingungsniveau gebracht.

Abb: Frequenzzoom der nebenstehenden Abbildung.

Nur wenn Masse, Rückstellkraft und Dämpfung exakt eingestellt sind, arbeitet der Wolftondämpfer wirksam. Für solch eine akribische Abstimmung ist die Spektralanalyse und die Messung der Schwingungs-Antwort (siehe Stichwort Übertragungsfunktion) hilfreich. Ein im Akustiklabor des Meisteratelier für Geigenbau Martin Schleske erstelltes akustisches Protokoll dient als Richtschnur bei der individuellen Anfertigung und der Kontrolle des Antiresonators. 

Die Kosten für Messung, Justage und akustische Optimierung des Antiresonators belaufen sich je Instrument auf Euro 120,- zzgl. MWSt.

 

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